22.1.2007
Empfehlung
Achtung!
Der folgende Beitrag ist vor allem Frauencontent. Es geht um Arztbesuche und unappetitliche Diagnosen. Solltest du Zweifel daran haben, ob du "es" wirklich wissen willst, lies lieber nicht weiter.
Ich hasse Aerzte. Ich habe Angst vor ihnen.
Vielleicht, weil ich bisher bei einigen Aerzten, die ich besucht habe, nicht unbedingt tolle Erfahrungen gemacht habe.
Einmal wurde ich halb nackt und in entwuerdigender Position in einem Zimmer warten gelassen ("Ich muss mal kurz weg…"), in dem die Schraenke fuer medizinischen Krempel standen. So hatte nicht nur das gesamte Personal tiefe Einblicke, sondern auch Patienten, die von draussen reinlinsten. Nachdem der gute Arzt dann auch noch mein Rezept zusammen mit meinem Namen quer durch die Praxis gerufen hatte, war mein Tag ruiniert. In einer doerflichen Umgebung, in der jeder jeden kennt, moechte ich nicht, dass jeder weiss, dass ich einen (und wer jetzt lacht, bekommt Blog-Verbot) "Anal-Dehner" benoetige.
Ich habe mir dieses Teil aus Scham bis heute nicht gekauft und erzaehle die Geschichte gerade erst zum dritten Mal. Raffi weiss natuerlich davon und ausserdem eine Freundin, die damals mit mir beim Arzt war. Ich wuerde dem Arzt nicht raten, mich bei einer naechsten zufaelligen Begegnung auch nur zu gruessen.
In Halle habe ich eine Frauenaerztin besucht. Ich war schon vorher nicht gerne beim Frauenarzt, weil mir das viel zu intim ist. Dieser Besuch sollte meine Abneigung nur noch verstaerken.
Ich entscheide gerne selbst, wer mich wo anfassen darf. Da bin ich sehr eigen; selbst Verwandte sollten mich nicht ungefragt antatschen. Vielleicht liegt das an meinem hohen Gewicht, vielleicht ist das auch nur eine generelle Grundeinstellung, die ich nunmal mitbringe.
Ausserdem habe ich bezueglich meines Aussehens enorme Komplexe. Ich finde mich nett und intelligent, aber nicht zwingend attraktiv. Mein Gesicht finde ich schoen und meine Haare, desweiteren meine ausgepraegte Taille. Jedoch den Rest – und das liegt eindeutig am Gewicht – nicht. Frueher musste ich mir haeufig bloede Sprueche von Schulkameraden und Fremden anhoeren, inzwischen sind es nur noch betrunkene und bloede Jugendliche in Cliquen.
Dementsprechend begeistert war ich, als sich die Aerztin an meinem Gewicht geradezu aufgeilte. Ich denke nicht, dass Aeusserungen wie "Mein Gott, ist das haesslich", "Sie sind zu fett", "Das sieht furchtbar aus!" und "Sie sind viel zu schwer fuer den Stuhl, da muss meine Assistentin ran.", welche im Minutentakt auf mich einprasselten, zu einer normalen aerztlichen Untersuchung gehoeren beziehungsweise mit den Menschenrechten vereinbar sind.
Besonders schoen war in diesem Zusammenhang die Blutdruckmessung, die eine Assistentin an mir durchgefuehrt hat, nachdem die Aerztin mich schon eine Viertelstunde in Rage gebracht hat und waehrend im Stehen an meiner Brust herumgefummelt wurde. Das viel zu hohe Ergebnis (jenseits der 200) war fuer die gute Frau Doktor natuerlich ein gefundenes Fressen; meine Aussage, mein normaler Blutdruck liege bei 130 zu 80, wurde ignoriert.
Ich habe Stunden gebraucht, um nicht mehr bei jeder Kleinigkeit in Traenen auszubrechen; Tage, bis ich nicht mehr bei jeder Gelegenheit daran gedacht habe. Wenn ich davon erzaehle, tritt mir auch jetzt, mehr als anderthalb Jahre nach diesem Vorfall, noch das Wasser in die Augen.
Seitdem wurde ich bei keinem Arzt mehr vorstellig, habe mich bei meinen Pillenrezepten immer irgendwie durchgeschummelt. Hier in Karlsruhe wollte ich einen Neuanfang wagen und habe beim naechstgelegenen Arzt einen Termin vereinbart. Dieser Termin war heute. Ich war begeistert und gelobte, den Arzt weiterzuempfehlen.
In der Praxis von Herrn Dr. Alexander Fertig herrscht nicht nur eine nette Atmosphaere, sie hat auch noch andere Vorzuege:
- Der gynaekologische Stuhl dort ist kein unbequemes 08/15-Modell, sondern eine neu eingefuehrte, frauenfreundliche Variante namens Radius. Man legt nicht seine Unterschenkel in scheinbar willkuerlich angebrachte Plastikschalen, sondern stellt seine Fuesse auf spezielle Stuetzen und lehnt sich gemuetlich zurueck.
Bequem, einfach und nicht so angsteinfloessend. Ausserdem bunt. Mag ich. - Im Nachhinein ist mir aufgefallen, dass keine Arzthelferin assistierte, sondern der Arzt eigentlich die ganze Zeit froehlich redend und erklaerend umhergewuselt ist. Mag ich auch, wenn wenig Leute im Raum sind.
- Der Herr Dr. Fertig ist nicht nur sympatisch, nett und gutaussehend, sondern auch vertrauenserweckend, gut informiert und bemueht, eine persoenliche Atmosphaere zu schaffen. Dabei bleibt er immer professionell. Ich hatte ein wirklich gutes Gefuehl bei ihm. Auch als ich ihm meine Erlebnisse beim letzten Frauenarztbesuch schilderte, um zu verhindern, dass er unbedachte Aussagen macht, fuehlte ich mich gut aufgehoben.
- Das Wartezimmer ist sehr klein (ungefaehr 9 Stuehle), aber hell und freundlich. Es liegen viele Zeitschriften und Prospekte herum, sodass ich auch gut unterhalten gewesen waere, haette ich mein Buch daheim gelassen.
- Auf Beratung wird dort grossen Wert gelegt. Alle meine Fragen wurden ausfuehrlich beantwortet, ohne Anzeichen von Stress und Hektik. Dafuer nehme ich auch gerne laengere Wartezeiten in Kauf, denn andere Patientinnen sollen doch genauso behandelt werden wie ich. (Naja, 30 Minuten nach dem vereinbarten Termin ist nicht wirklich eine lange Wartezeit)
Ausserdem wurde mir angeboten, im Rahmen einer Studie einen kostenlosen Test auf Papilloma-Viren zu machen. Auch wenn meine Versicherung das sowieso bezahlt haette, habe ich mich dafuer bereiterklaert, da ich den Test so oder so haette machen wollen und so das Gefuehl habe, der Wissenschaft weiterhelfen zu koennen.
Jetzt bin ich nicht nur Testobjekt, sondern auch ein Stueck weit von meiner Aerztephobie geheilt. Dankesehr. Den Herrn empfehle ich gerne weiter. Auch und vor allem an Frauen, die starke Probleme mit Aerzten haben.
January 22nd, 2007 at 18:32
für mich ist der erste besuch beim frauenarzt ausschlaggebend. wenn ich während der untersuchung beklemmung verspüre, dann kann ich kein zweites mal dort hin. mein jetziger gyn war mir auf anhieb sympathisch. er hat mich vor einer ambulanten OP bestens beraten und mir danach sogar für den notfall seine private tel.nr. gegeben. beide schwangerschaften hat er mit mir durchlebt. er ist immer freundlich und ausgeglichen und nimmt sich zeit für ein gespräch. bei dem bin ich mich im wahrsten sinne des wortes “in guten händen”.
schön, dass Sie auch so einen arzt gefunden haben. vorsorge ist wichtig und wird ja meistens nur wahrgenommen, wenn sie nicht mit unangenehmen gefühlen verbunden ist.
und danke, dass Sie mich daran erinnert haben. ich sollte meinen gyn nämlich auch wieder mal besuchen :)
January 22nd, 2007 at 20:02
Bisher war ich nur ein einziges Mal oefter als zwei Mal beim gleichen Frauenarzt. Der war nett und hatte einen franzoesischen Akzent. Und einen grauen Schnauzbart.
Mein jetziger hat keinen Akzent, ist aber deutlich attraktiver (;
(Oh, Raffi kommt, ich muss aufhoeren. Lala.)
Und ich freue mich fuer jede Frau, die nen guten Arzt hat. Finde ich wichtig, so rein intuitiv. Auch die Sache mit dem Kinderkriegen wuerde ich nicht jedem anvertrauen, oder so.
Und als Gedaechtnisstuetze duerfen Sie mich gerne gebrauchen (;
January 22nd, 2007 at 21:29
Zum Kotzen, was Du da schreibst von dieser … ämm … Ärztin. Zum-Kot-zen! Der gehört der Poppes versohlt. Ich hätt das für Dich gemacht.
(Oh Mann. Ich krieg bei solchen Sachen immer nen Hals.)
January 23rd, 2007 at 09:24
Wow. Deine Erfahrungen mit Frauenärzten sind ja sehr durchwachsen, um den letztgenannten beneide ich dich allerdings.
In Jena hatte ich eine sehr nette Ärztin, Praxis modern eingerichtet, auch wenn der Stuhl eines der älteren Modelle war. Aber sie war immer nett und erklärte was sie tat, für Reden und Untersuchung gab es zwei unterschiedliche Zimmer und der Stuhl stand so dass jemand der ins Zimmer kam eben nicht alles sah. Umziehen tat man sich in dem zweiten Raum in einer Art Umkleidekabine, direkt neben dem Stuhl.
In Magdeburg hier genau das Gegenteil. Ausgerechnet diese Ärztin wurde mir von meiner Hausärztin hier empfohlen. Kleine Praxis, moderner Stuhl (sah mir eher aus wie ein UFO), aber ausziehen “durfte” ich mich hinter einem Paravent um danach nackend von einem Zimmer ins nächste laufen zu müssen, wenn die entsprechende Tür aufstand, sahen einen die anderen Patienten. Nach der Untersuchung auf dem UFO direkt neben der Tür, so dass wenn die Schwester reinkam, sie auch alles sehen konnte, sass man nackend auf einem (normalen) Stuhl neben der Ärztin im gleichen Zimmer um sich mit ihr zu unterhalten. Bäh.
Das muss nicht nochmal sein. Ich hätte wirklich nie gedacht, dass so haarsträubende Unterschiede zwischen Ärzten und Praxen der gleichen Fachrichtung existieren. *Kopfschüttel*
January 23rd, 2007 at 09:35
Jette: Danke fuer’s Mitgefuehl. So oder aehnlich haett ich das auch empfunden. Ich hab sogar ueberlegt, sie anzuzeigen oder wenigstens nen boesen Brief zu schreiben, habs dann aber nicht gemacht. Leider hab ich vergessen, wie die Frau aussieht. Von daher kann ich sie nichtmal anhuepfen, wenn sie mir zufaellig nochmal begegnet.
Aber ich denke mal, bei der Frau werden wohl nicht so viele Patienten dauerhaft bleiben.
(Wenn mich nochmal jemand so boese aergert, bekommst du die Adresse. Am liebsten wuerd ich die Frau hier namentlich und mit Anschrift diffamieren, aber dann mahnt die mich ab und _mein_ Geld bekommt die nicht nochmal.)
Ines: Der UFO-Stuhl (prima Bezeichnung, denn so aehnlich sah der tatsaechlich aus) stand da im Behandlungszimmer, was mich aber nicht weiter gestoert hat. Der war naemlich in dunkelrot und weiss, genau wie die anderen Moebel, und sah nicht so angsteinfloessend aus, sondern sehr bequem. Dann gabs noch den Schreibtisch mit gemuetlichen Vorbesprechungs-Stuehlen.
Aber das mit dem Nackig-durch-die-halbe-Praxis-laufen ist unangenehm und bloed.
(Und wo die Unterschiede herkommen, wuesste ich auch gerne. Wahrscheinlich lernen Aerzte nur die medizinischen Grundlagen und nicht sowas wie “Ethik und Moral”. Das muessen sie halt mitbringen und einige haben davon komische Vorstellungen.)