8.9.2006

Reise

Posted in Parkbank at 10:21 by Tokbela

Ich finde ja multilingual erzogene Kinder immer faszinierend. Gestern, als ich im Zug sass, stieg eine Schwarze ein (was ausser „Maximalpigmentierte“ ist hier eigentlich die korrekte Bezeichnung?), die mit ihren beiden kleinen Toechtern dreisprachig kommunizierte. Deutsch, Englisch und eine afrikanische Sprache mischten sich nahtlos miteinander. Eine Tochter, etwa anderthalb Jahre alt, blieb auf Mamas Schoss. Die andere, schaetzungsweise sechs, lief im Zug herum und liess sich von den alten Damen dort verwoehnen. Im Gegenzug fuehrte es allerlei Tricks aus („Oh, du bist aber schon gross, kannst du denn schon zaehlen?“).

Irgendwann stiegen die alten Damen aus und ich wurde interessant. Ich hatte mir extra – aus Lust auf mein Buch – mein Menschenverschreckshirt angezogen, aber das kuemmerte das Maedel nicht.

„Warum blutet der Teddy auf deinem Bauch?“ – „Weiss ich nicht, die sind ja eigentlich mit Watte gefuellt.“ – „Hm ja.“.

Nachdem sie sich das Motiv lange genug beguckt hatte, wurde das Magnetlesezeichen interessant, welches neben mir lag. „Was ist das, was macht man damit und wie funktioniert das?“

Also erklaerte ich ihr die Wunder des Magnetismus'. Kurz bevor ich bei den Grundlagen der Thermodynamik ankommen konnte, tat dies seinerseits der Zug, und zwar in Hannover, meinem ersten Umsteigebahnhof. Das Maedel griff nach meiner schweren Tasche (Notebook, Buch, Wasserflasche, Kamera…) und wollte sie tragen. Ich sah mir wenige Sekunden an, wie sie unter der Last beinahe durchbrach, lachte dann und gab ihr stattdessen meinen leichten Klamottenrucksack.

Die Mutter musste auch in Hannover raus. Also griff ich mir mit den Worten „Wenn Ihre Tochter meine Sachen traegt, muss ich Ihre tragen“ ihre riesige Reisetasche und den tochtergrossen Koffer, waehrend sie die Kleinere in ihrem Buggy zwischen den Gepaeckstuecken der anderen Reisenden herummanoevrierte. So waren wir alle gut beschaeftigt, als ich beim Einfahren in den Bahnhof mitbekam, dass wir Verspaetung hatten, mein Anschlusszug allerdings am Gleis gegenueber wartete.

Ich huepfte also mit dem fremden Gepaeck aus dem Zug, schnappte mir die Tochter und beschaeftigte sie, bis andere Reisende der Mutter samt Buggy aus dem Zug geholfen hatte. Dann tauschten wir noch kurz die Taschen, ich wechselte noch ein Grinsen und ein Winken mit der Mutter und sprintete los, zu meinem Zug. Der schloss die Tueren hinter mir und wir fuhren diesem ominoesen Koeln entgegen.

[x] gute Tat.

One Response to “Reise”

  1. ines Says:

    Ich hätte gern ein Foto von dem blutenden Teddy… ;)
    Ansonsten: ja, klingt nach ausgezeichnetem socializing

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