25.7.2006

Die alte Dame von nebenan.

Posted in Parkbank at 14:48 by Tokbela

Ich fand die Dame schon seltsam, als sie vor einiger Zeit (Nicole wohnte noch hier und es war kalt) an unsere Wohnungstuer klingelte und uns bat, ihr einen Krankenwagen zu rufen; ihr ginge es nicht gut. Nicht nur, weil sie nach einer fuer mich undefinierbaren Substanz roch (Nicole meinte spaeter, sie haette eine tierische Fahne gehabt, fuer mich roch es durch meine schnupfenverstopfte Nase eher wie ein Medikament). Auch nicht nur, weil sie auf Nicoles Angebot, erstmal hereinzukommen und ein Glas Wasser zu trinken, schnurstracks in mein Zimmer schlurfte und sich seufzend auf unser Bett legte, wo Raffi zwar etwas befremdet guckte, dann aber – ungeachtet der stoehnenden, Anzeichen der Verwahrlosung zeigenden Frau direkt neben sich – weiterarbeitete. Eigentlich wurde es erst dann seltsam, als ich tatsaechlich die 112 gewaehlt und von der netten Frau in der Zentrale instruiert wurde, die Leidende mit ihr sprechen zu lassen. Nach Herunterbeten ihrer saemtlichen Daten (Name, Geburtstag, Wohnort, Familienstand, Kontonummer, was weiss ich..) und detaillierter Beschreibung ihrer Beschwerden ("Mir is nich gut.."), welche sie mehrmals wiederholen musste, weil sie tierisch leise sprach und dazu auch noch nuschelte, kam dann einige Zeit spaeter (20 Minuten, die ich in Ermangelung eines Klingelschildes mit den von mir angegebenen Daten frierend und auf den Krankenwagen wartend vor der Haustuer verbrachte, waehrend Nicole und Raffi sich das "Ich will nicht sterben!"-Gestoehne der Frau anhoeren mussten) tatsaechlich ein Rettungswagen. 

Nach kurzer Untersuchung, bei der anscheinend nichts gefunden wurde (der beste Wortwechsel war hier: "Nehmen Sie Medikamente?" – "Nur gegen Herzrhythmusstoerungen." – (kurzer Blick aufs EKG) "Sie haben aber gar keine Herzrhythmusstoerungen." – "Ich nehme ja auch Medikamente dagegen.") boten die Herren in weissorange der Frau an, mit in die Klinik zu kommen; ein Wunsch, den sie offenbar schon hegte, als sie unsere Klingel drueckte. Die Antwort darauf ("Nein, wer soll sich dann um meine Katze kuemmern") enttaeuschte mich daher etwas, jedoch fiel ihr nach Draengen der Sanitaeter ein, dass sie eine Tochter und diese einen Wohnungsschluessel hat. 

So ging die Frau mit ins Krankenhaus, kam eine Woche spaeter wieder, klingelte bei uns und erzaehlte, die Leute da haetten ihr gesagt, sie solle die Finger vom Alkohol lassen. Naja.

Gestern Abend war die Frau wieder hier. Wieder klingelte es an der Tuer (um 10 Abends, und natuerlich war ich schon bettfertig, und natuerlich hat sich beim Anziehen mein Hosenbein verknotet, und natuerlich kam ich deshalb etwas ausser Atem an der Tuer an), wieder stand die Frau davor. Sie sah noch verwahrloster aus als beim letzten Mal, roch stark nach Alkohol und fragte mich leise und nuschelnd, sodass ich mein Ohr direkt vor ihrem Gesicht parken musste, um etwas zu verstehen, ob wir $Medikament haetten.

Erstens kannte ich das Medikament nicht. Zweitens haben wir nichtmal Aspirin im Haus (unser pharmazeutischer Vorrat beschraenkt sich tatsaechlich auf die Antibabypille und Wick Vaporup). Drittens war es um 10 Uhr Abends. Viertens wird eh immer bei uns geklingelt, wenn mal der Werbemann rein will oder ein Handwerker was nicht findet. Fuenftens war ich von der Frau ganz gewaltig genervt.

Aber ich riss mich zusammen, erzaehlte ihr von der Leere in unserem Medikamentenschrank und fragte sie, warum sie nicht einfach zur Apotheke geht. Dann erklaerte ich ihr noch, dass sie keine Angst zu haben brauche, weil an jeder Apotheke Name und Anschrift der gerade Notdienst habenden dransteht und dieses Schild sogar beleuchtet sei.

Dann schloss ich seufzend die Tuer (ab) und fuehlte mich nichtmal schlecht, die Frau einfach so im Stich gelassen zu haben. 

Leave a Reply

You must be logged in to post a comment.