1.7.2006

Intelligenz und andere Nebensaechlichkeiten

Posted in Theory at 11:59 by Rafayel

IQ-Tests – je nach Ergebnis liebt oder hasst man sie. Ich finde sie einfach nur bloed. In meinem Leben habe ich bisher nur einmal so ein Teil ausprobiert, irgendwann in der achten Klasse oder so, und nach 90 Minuten erfahren, dass ich mit meinem Hirn leider (noch) nicht in die Mensa gehen darf. Okay, kein Problem, der Verein ist mir eh suspekt. Wahrscheinlich hat jeder schon mal so einen Test mitgemacht – und sei es nur bei den Fernsehshows, die dann herausfinden, dass die Gruppe der Zuhaelter klueger als die Gruppe der Mathematiklehrer ist. Eigentlich kein Wunder, rechnen die Lehrer falsch, sagt ihnen das im schlimmsten Fall irgendein vorlautes Kind, verrechnet sich der Zuhaelter, kann ihn das schnell mal sein neues Goldkettchen kosten.

Naja, und dann gab's es noch diese Studie ueber die Aenderung des IQs durch Urlaub, Sport etc. Ich glaube, das Ergebnis war, durch Urlaub geht es bis zu zehn Punkte runter, durch Sport ein paar Punkte rauf. Den Urlaub kann ich ja noch nachvollziehen (auch wenn der Betrag eindeutig auf einen Ballermann-Urlaub hindeutet), aber durch ein wenig Schwitzen klueger zu werden, halte ich fuer ziemlich fragwuerdig. 

Das Problem an diesem Test sind die Aufgaben, irgendwie logisch. Und da sowieso alle Welt daran rumkritisiert, moechte ich diesmal keine Ausnahme sein. Schauen wir uns doch mal ein paar der Aufgaben (soweit ich das nach den Jahren noch aus meinem Gedaechtnis bekomme) an.

Da gibt es zum einen die Sprachaufgaben. Super, Sprache hat sicher etwas mit Intelligenz zu tun, nur wie soll man das objektiv messen, wenn die Sprache an sich schon problematisch (und bis auf wenige Ausnahmen weder regulaer noch kontextfrei) ist? Kleines Beispiel gefaellig?

Der Mensch verhaelt sich zu Wasser wie ein Tiefseefisch zu … ?

a) Wasser

b) Druck

c) Alkohol

d) Iglu

Na? Keine Ahnung? Jo.

Zur Aufloesung: Sowohl a), b) als auch c) sind korrekte Antworten. Der Mensch besteht zum groessten Teil aus Wasser (a), benoetigt Wasser zum Leben (der Tiefseefisch braucht den Druck tiefer Gewaesser, also b) und laesst sich durch (destilliertes) Wasser toeten (Alkohol toetet auch so ziemlich jedes Lebewesen, also c). Nur ein Zusammenhang mit einem Iglu laesst sich nicht so einfach herstellen.

Dies war zwar ein recht extremes Beispiel, aber ich bin mir sehr sicher, dass solche Mehrdeutigkeiten auch in "offiziellen" Tests vorkommen und den Pruefling somit verwirren. Diese (sehr beliebte) Art der Fragen ist also eindeutig nicht fuer einen solchen Test geeignet.

Kommen wir zum mathematischen Teil, die Zahlenfolgen. Wer kennt es nicht, gegeben sind mehrere geordnete Zahlen und die Aufgabe besteht in Bestimmung der Bildungsvorschrift, sodass die naechste Zahl als Loesung aufgeschrieben werden kann. Diese Aufgabe ist sogar noch sehr viel ungeeigneter als die oben besprochene Sprachaufgabe. Warum? Ganz einfach, _jede_ beliebige Zahl kann Loesung der Aufgabe sein!

Auch hierzu wieder ein Beispiel von mir:

1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, …?

Na, was ist wohl die naechste Zahl? In einem IQ-Test wuerde natuerlich jeder 11 hinschreiben und zur naechsten Aufgabe uebergeben. Aber die "korrekte" Antwort in meinem Test ist 42, was sonst. Und hier die Bildungsvorschrift

f(x) = 31/3628800*x^10 – 341/725760*x^9 + 341/30240*x^8 – 3751/24192*x^7 + 232903/172800*x^6 – 266321/34560*x^5 + 10592483/362880*x^4 – 2606945/36288*x^3 + 5491123/50400*x^2 – 226291/2520*x + 31

Setzt man in diese Gleichung x=1, x=2, …, x=10 ein, so erhaelt man genau die Werte 1, 2, …, 10 der Zahlenfolge. Und fuer x=11 den naechsten Wert: 42. Das ist keine Zauberei, sondern simple Polynominterpolation, wahlweise in den Geschmacksrichtungen Lagrange oder Newton. Und wer mehr darueber erfahren will, setzt sich einfach in eine Numerik-Vorlesung der naechstbesten Uni, dort wird das bis zum Erbrechen durchgekaut.

Ach, und falls jetzt jemand mit dem Argument kommt, man solle doch die einfachste Bildungsvorschrift nehmen: Ziemlich bloeder Vorschlag, denn wonach bestimmt man die Einfachheit? Und noch schlimmer, wie soll ich in endlicher Zeit unendlich viele Einfachheiten bestimmen und deren Maximum ermitteln? Aehnliches laesst sich ueber 'nimm halt die erste, die dir einfaellt' schreiben … 

Fazit: Weder die auf Sprache noch auf Mathematik basierenden Fragen sind geeignet oder einem IQ-Test auch nur wuerdig. Uebrig bleiben die Aufgaben ueber Muster und raeumliche Vorstellung. Auch hier kann man sicher Schwachstellen finden, aber meiner Meinung nach tendieren diese Aufgaben schon eher in die richtige Richtung. Leider sind dies auch genau jene, die mir ganz und gar nicht liegen.

5 Responses to “Intelligenz und andere Nebensaechlichkeiten”

  1. Tokbela Says:

    .. das Ganze geht aber auch mit 1984, meinem absoluten Liebling..

  2. Rafayel Says:

    Und wenn du mir dazu die Bildungsvorschrift angeben kannst, darfst du auch mal von meiner Nougatschokolade abbeissen.

  3. G. Says:

    … wobei das mit dem tötenden Wasser ja wissenschaftlich umstritten, wenn nicht sogar abgelehnt wird.
    http://www.gesundheit.de/ernaehrung/richtig-trinken/destilliertes-wasser/index.html

  4. Rafayel Says:

    Völlig mineralien- und salzfreies Wasser gelangt jedoch nicht in die Zellen, denn auch über feste Speisen kommen diese wichtigen Substanzen in den Körper und vermischen sich im Magen.

    Nach einer Woche ohne Essen und reichlichen Mengen destilliertes Wasser wird der Koerper schon zeigen, was es mit dem osmotischen Druck auf sich hat. Die Todesursache ist in dem Fall jedenfalls nicht Verdursten oder -hungern.

    Aber meine bisherige Meinung, destilliertes Wasser sei ziemlich gefaehrlich, scheint jedenfalls falsch zu sein.

  5. Uwe Says:

    Das mit dem IQ-Test in der achten Klasse bestätige ich hiermit, ich war nämlich dabei. 90 Minuten hat das übrigens nur gedauert, weil wir zwischendrein zweimal 45 Minuten Unterricht hatten :-)

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