16.6.2006
Gehoerloses Spuelmittel
Bei Hitze neigt der Mensch ja bekanntermassen zur Transpiration. Das kann zwar mit allerlei Mitteln (Eiswuerfeln, Deo, Botox..) vermindert werden, doch frueher oder spaeter verlaesst die Feuchtigkeit den Koerper – und sei es ueber Zunge und Fußsohlen. Da muss dann nachgetankt werden, doch mitten in der Stadt stellt sich das ab und zu komplizierter dar, als es klingt:
Warm. Heiss. Halle. Als ich an der Strassenbahnhaltestelle ausstieg und etwas am Rande meines Blickwinkels unregelmaessig huepfte, drehte ich den Kopf in der festen Ueberzeugung, dort eine Steppenhexe ihre einsamen Bahnen ziehen zu sehen; doch es war nur ein kleines Kind nahe eines Schwaecheanfalls. Unbeachtet von seiner etwa 16 Jahre aelteren Mutter klammerte es sich an deren Rock fest, um nicht der erbarmungslos ziehenden Schwerkraft Folge zu leisten und sich auf den Hosenboden zu setzen.
Mein Gesicht war schweissgebadet und ich hatte Durst. Hier an der Haltestelle war doch irgendwo ein Imbiss? Ja, durch die flimmernde Luft hindurch sah ich einer Fata Morgana aehnlich das rot-weisse Schild eines grossen amerikanischen Getraenkeherstellers. War es eine Illusion? Eine pure Einbildung, von meiner boshaften Phantasie in Kooperation mit der sengenden Hitze meinem Auge vorgegaukelt? Ich beschloss, die Probe aufs Exempel zu machen und setzte mich in Bewegung, das Logo fest im verschleierten Blick.
Tatsaechlich, ich naeherte mich einer Preistafel und – oh Freude, schoener Goetterfunken – erblickte Getraenke im nutzerfreundlichen Halblitereimer. Also wartete ich noch immer schwitzend, aber voller Vorfreude darauf, dass die untersetzte Bedienung von mir Notiz nahm, was auch schon etwa eine Viertelstunde spaeter in einem Ton, den ich eher einem Dominastudio zugeschrieben haette, geschah.
"Guten Tag, ich haette gerne einen halben Liter Fanta." – "Hamwanich."
Erstaunt blickte ich auf die Getraenkezapfstation. Da sah ich doch das Fanta-Schild und eine Menge gestapelter Becher daneben. Nun, vielleicht waren die Faesser alle und die arme Dame deswegen ein wenig im Stress. Dies dachte ich mir zumindest, als sie mir freundlich ihren Alternativvorschlag an den Kopf warf:
"Wir hamaba Nullkommavierliter." – "Gut, dann nehme ich eine 0,4l-Fanta."
Sicherlich wuerde sie jetzt zum Kuehlschrank gehen und mir eine leckere, eisgekuehlte..
"Fanta oda Wasser?!" – "Bitte?" – "Wollense Fanta oder Wasser, ich habse nich verstanden."
Ich bin nicht aus der Gegend, und obwohl ich mir immer etwas auf mein Hochdeutsch einbilde, kann es ja mal zu unsauberen Aussprachen kommen. Ich artikulierte der Dame daraufhin ein lautes, deutliches "Fanta, bitte." in ihr aufmunternd verkniffenes Gesicht und zuegelte meinen Heissdurst auf das Erfrischungsgetraenk.
"Einzfufftzsch."
Ach ja, bezahlen musste ich ja auch noch. Aufgrund der freundlichen Bedienung war ich selbstverstaendlich sofort mit der Vorkasse einverstanden und zahlte die sprudelnde Koestlichkeit, die gleich meinen Rachen hinunterlaufen wuerde.
Die Dame stapfte grazioes zum Zapfomaten, den sie locker verdeckte, klemmte einen Becher drunter, grunzte erschoepft, knallte mir dann einen Pappbecher voll Mineralwasser auf die Theke und verschwand spurlos durch eine mit dem Schild "Nur fuer Personal" versehene Tuer.
Geradezu entzueckt ueber die hellseherischen Faehigkeiten der Dame (hatte ich mir doch gewuenscht, kein weiteres Wort mehr mit ihr wechseln zu muessen) und ihrer schier muetterlichen Besorgnis um mein Gewicht (stimmt, Fanta enthaelt viel zu viel Zucker) suchte ich mir noch frohlockend einen Strohhalm. Doch was war das? Es schien sich um ein besonderes Designexemplar zu handeln, vielleicht sogar vom Stardesigner XY persoenlich und nur fuer den Eigengebrauch kreiert. Jedenfalls dachte ich das, als ich die zum Trinken voellig ungeeignete Loeffelform betrachtete.
Aber egal, ich hatte den Weg ueber den fluessigen Teer und den Kampf mit dem furchtbaren Untier nicht auf mich genommen, um an einem Strohhalm zu scheitern! Also setzte ich an und schmeckte… Spuelmittel.
Ratet mal, in welchem Imbiss man Tok nicht mehr begegnet…
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